Gemeinsame Fachtagung von MIK und MIL
Hochschule der Polizei, Oranienburg
Grußworte
Die Fachtagung "Verkehrssicherheit – Kommunen in Bewegung: Impulse für die Verkehrssicherheitsarbeit vor Ort" wird mit drei Grußworten eröffnet: Prof. Dr. Heike Wagner, Präsidentin der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg; Frank Stolper, Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Kommunales; sowie Dr. Ina Bartmann, Staatssekretärin im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung, begrüßen die Teilnehmenden und geben den offiziellen Auftakt zur Veranstaltung.
Bewährtes nutzen, Wirkung erhöhen, gemeinsam vorankommen – Unterstützungsangebote für die kommunale Verkehrssicherheitsarbeit
Alexander Moser-Haas (DVR) zeigt, wie Kommunen mit erprobten Kampagnen und leicht einsetzbaren Materialien ihre Verkehrssicherheitsarbeit sichtbar stärken können. Vorgestellt werden u. a. „Runter vom Gas“ mit Landstraßen-Plakaten (Kreation, Produktion und Versand durch den DVR), Aktionsbanner und Mitmachmodule sowie Bausteine zum Tag der Verkehrssicherheit, der Schwerpunktaktion und der Initiative #mehrAchtung. Ergänzend adressieren Jugendaktionen, „German Road Safety“ und das PIXI-Buch die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen. Für die Nutzung von Plakaten an Landstraßen werden die seit 2022 aktualisierten Aufstell-Anforderungen benannt. Insgesamt unterstreicht der Vortrag: Mit vorbereiteten Motiven, digitalen Vorlagen und Veranstaltungsbausteinen können Kommunen ohne große Vorlaufzeit wirksame Maßnahmen starten.
Als Arbeitgeber und Dienstherr erhalten Kommunen zudem konkrete Präventionsangebote: „Kind und Verkehr“, „sicher mobil“ (Senior:innen), Fahrrad-/Pedelec-Trainings, Eco-Safety-Trainings sowie spezielle Programme für Berufskraftfahrende und junge Beschäftigte („Alles im Griff“) – ergänzt durch „Sicher in meiner Region“ und die interaktive Ausstellung „Deine Wege“. Für die fachliche Tiefe stehen Praxishilfen und Handbücher bereit; mit GUROM unterstützt der DVR bei Gefährdungsbeurteilungen – inkl. Online-Erhebung, wissenschaftlicher Auswertung (FSU Jena) und einer Maßnahmendatenbank mit über 1.450 Einträgen. Fortbildungswege (DVR/BSVI-Web-Seminare, DVR/DIFU-Reihe, FGSV/BALM-Angebote) sowie Wissensplattformen wie „Pakt für Verkehrssicherheit“, DVR Report, Schriftenreihen und WISoM runden das Portfolio ab. Vernetzung und Expert:innenrat sowie der Vision-Zero-Award setzen zusätzliche Impulse für wirksame Projekte vor Ort.
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Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung in der Kindertagesbetreuung
Prof. Dr. Dietmar Sturzbecher (IFK) zeigt, warum Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung in Kitas systematisch gestärkt werden müssen: In Deutschland wird alle 24 Minuten ein Kind bei einem Verkehrsunfall verletzt oder getötet; etwa die Hälfte der Unfälle ist auf kindliches Fehlverhalten zurückzuführen. Parallel verändern Verdichtung, Digitalisierung und Fahrzeugentwicklung die Mobilität – und damit die Anforderungen an Prävention. Bildungseinrichtungen eignen sich besonders, weil Kinder, Eltern und Großeltern gut erreichbar sind; Kommunen sind aufgrund Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge zentrale Träger der Verkehrssicherheitsarbeit. Didaktisch verortet der Vortrag „lebenslanges Lernen im Straßenverkehr“ (Skriptansatz, Spiralmodelle) mit Schlüsselkompetenzen wie Verkehrsbeobachtung, Fahrzeugpositionierung, Geschwindigkeitsanpassung, Kommunikation und umweltschonendem Verhalten entlang alterstypischer Rollen und Übergänge.
Darauf aufbauend stellt er „KitaMoVe“ (2021–2024) vor: verkehrspädagogische Grundlagen sowie ein Fort- und Weiterbildungsangebot für pädagogische Fachkräfte und Akteure der Verkehrssicherheitsarbeit; kommunale Träger sollen Ziele, Inhalte und Kompetenzstandards in ihren Einrichtungskonzeptionen verankern. Bereits erarbeitet wurden u. a. Curricula, ein Szenarienkatalog typischer Mobilitäts- und Unfallsituationen, ein Angebotskatalog für 3- bis 10-Jährige, Ausbildungsplanungen/Präsentationen und ein Lehrbuch; die Erprobung des Weiterbildungsmoduls steht noch aus. Der Kurs umfasst 100 Stunden mit E-Learning-, Präsenz- und Exkursionsanteilen. Die Kommunale Arbeitsgemeinschaft „Kompetenzzentrum Träger-Qualität“ (KAG KTQ) unterstützt Kommunen mit Praxisangeboten und hat KitaMoVe als Schwerpunkt 2025/2026 gesetzt.
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Sicherheitsaudits von Straßen
Ralf Baumann (Schüßler-Plan) erläutert das Sicherheitsaudit als regelgebundenes, unabhängiges Verfahren nach RSAS 2019, das Sicherheitsdefizite konsequent aus Sicht aller Verkehrsteilnehmenden identifiziert – sowohl in der Planung (Phasen von Vorplanung bis „erste Betriebsphase“) als auch an Bestandsstraßen mit anlassbezogenen Prüfungen. Ziel ist nicht die Umplanung, sondern das begründete Aufzeigen von Risiken mit Verweis auf das technische Regelwerk; Nutzen sind u. a. dokumentierte Risiken, vermiedene Nachbesserungen, weniger Unfallfolgen und eine höhere Planungsqualität. Hintergrund ist die Unfallentstehung im System Fahrer/Fahrzeug/Straße: Während Regelverstöße und Unerfahrenheit durch Kontrolle und Ausbildung adressiert werden, zielt das Audit auf Defizite an der Schnittstelle Fahrer/Straße.
Aus der Praxis nennt der Vortrag häufige Defizite (u. a. Sichtverhältnisse, Geschwindigkeitsdämpfung, Querungsstellen für Zu-Fuß- und Radverkehr) und zeigt Beispiele: In einer Ortsdurchfahrt wurde eine von Schulkindern genutzte Querungsstelle mit unzureichender Sicht bewertet – empfohlen wurden u. a. die Wiederholung des „Kinder“-Piktogramms, eine Reduktion auf 30 km/h sowie die Herstellung erforderlicher Anfahrsichten nach RASt. Bei der Schulwegsicherung wurden Varianten (shared space vs. strukturierte Anlage) gegenübergestellt; das Audit plädierte für eine gefahrärmere Führung mit Teilaufpflasterung und verbreitertem Gehweg. Ein Knotenpunktbeispiel verdeutlicht den volkswirtschaftlichen Effekt: Bei vergleichbaren Baukosten senkte die überarbeitete Form die erwarteten Unfallkosten um rund 240 T€ über 50 Jahre.
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Strategien zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in der Region
Andreas Much (Landkreis Prignitz) skizziert Ausgangslage und Handlungsbedarf in einem weitläufigen Flächenkreis mit 75.672 Einwohner:innen: Der Verkehr ist stark MIV-geprägt (Modalanteil ca. 60,5–64 %), während Alternativen wie ÖPNV, Rad- und Fußverkehr – trotz Bedeutung für Schüler:innen und Pendler – eine untergeordnete Rolle spielen; 60.702 Kfz sind zugelassen (798 je 1.000 Einwohner). Die Unfallentwicklung 2021–2024 und die Hauptursachen zeigen deutliche Schwerpunkte: Wildunfälle dominieren (66,81 %), gefolgt von Geschwindigkeit (13,48 %) und Vorfahrt/Vorrang (7,03 %). 38 % aller Unfälle entfallen auf die Städte Wittenberge, Perleberg und Pritzwalk; Unfallhäufungsstellen 2025 liegen in Wittenberge (drei) und Perleberg (zwei); zeitlich stechen Berufsverkehr (16–18 Uhr) sowie Dämmerungszeiten (6–7 Uhr, 21–22 Uhr) hervor.
Strategisch hat der Landkreis vom fünfjährigen Verkehrssicherheitskonzept (bis 2022) auf ein dauerhaft gültiges, regelmäßig zu evaluierendes Konzept (seit 2023) umgestellt. Leitlinien sind flächendeckende Verkehrsüberwachung, sichere Verkehrsraumgestaltung (inkl. UHS-Analyse und baulicher Anpassungen), Verkehrssicherheitsaufklärung/-erziehung sowie aktive Öffentlichkeitsarbeit. Ziele bleiben die konsequente Reduzierung von Unfällen – insbesondere Schwerverletzten und Getöteten –, mehr Sicherheit für besonders gefährdete Gruppen (Kinder, Jugendliche, Senior:innen) und eine höhere Regelkonformität. Die Umsetzung erfolgt in enger Partnerschaft von Polizei, Landkreis, Landesbetrieb Straßenwesen, Straßenverkehrsbehörden, Kommunen und Kreisverkehrswacht; die erste Evaluation des neuen Konzepts ist für 2025 vorgesehen.
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Initiativen zur praxisnahen Verkehrssicherheitsarbeit in der Kommune
Daniela Kuzu (Fontanestadt Neuruppin) beleuchtet in „Initiativen zur praxisnahen Verkehrssicherheitsarbeit in der Kommune“, wie Kommunen gemeinsam mit lokalen Partnern wirksame Akzente setzen können. Unter der Leitidee „Sicherheit geht vor!“ betont sie drei Kernaussagen: Die Stadt braucht einen klaren Willen, sich dauerhaft um Verkehrssicherheit zu kümmern; Verkehrssicherheitsarbeit beginnt „von Kindesbeinen an“; vor Ort sind Kooperationspartner zu finden und geeignete Veranstaltungsformate zu etablieren.